I048
1910 (ca.) | Pedalklavier Richard Neufeind Berlin
Beschreibung
- "liegendes" Pedal-Klavier (bei de Wit [1912] als "Hirl'sches selbstklingendes Orgelpedal" bezeichnet) als Unterbau unter ein aufrechtes, aufgebocktes Pia[ni]no. Das Pedalklavier ist extrem kompakt gebaut, nimmt es doch nicht mehr Platz in Anspruch, als Bank und Pedalklaviatur sowieso beanspruchen.
- Gehäuse-Aufbau: als oben offene und wieder teilverschlossene Wanne; Kopfseite und vorne oben durch L-förmige massive Abdeckung geschlossen (verschraubt); auf dieser Abdeckung befindet sich die Sitzbank (derzeit mit nicht-originalem Kunstlederbezug), deren Kippsicherheit durch schwalbenschwanzförmige Führungsleisten hergestellt wird; Instrumentenende (im spielfertigten Zustand unterhalb des Pedalklaviers) durch Holzrahmen mit Mittelsteg, Träger einer textilen Bespannung, verschlossen: zwischen hinterer und vorderer Abdeckung befindet sich ein lose eingelegtes, verschiebbares Brett, das den Spielerfüßen als Ablage dient, wenn das Pedalklavier nicht benutzt wird. Das aufrechte, aufzustellende Piano steht nicht unmittelbar mit seinem Gewicht auf dem Pedalklavier, sondern ruht auf zwei Böcken, die links und rechts das Pedalklavier umfangen (siehe Foto)
- Signierung: geprägte Blechplakette auf Instrumentenvorderseite, Schriftzug links und rechts flankiert von je fünf reproduzierten Medaillen-Seiten: "R. Neufeind / Berlin S.W. Friedrichstr. 215" [nach Henkel ist dieses Instrument demnach zwischen 1909 und 1929 entstanden, da Neufeind in diesen zwei Jahrzehnten unter dieser Adresse firmierte]; Schriftzug je ober- und unterhalb der Plaketten-Gruppen: "Goldene Medaillen / Wien Berlin Musikfachausstellung"; eine der reproduzierten Medaillen datiert "Berlin Mai 1906" [Henkel, Art. "Neufeind, Richard", s.u., ist die Teilnahme an der Ausstellung, nicht hingegen diese Auszeichnung bekannt].
- Maße: 128 cm breit, 130 cm lang, 30 cm hoch.
- parallele, ebene Pedal-Klaviatur (also nicht strahlenförmig, nicht konkav). Die Tasten sind vorne drehend beweglich gelagert und werden durch Stabfedern an ihrem hinteren Ende nach oben gezogen; am hinteren Ende der Tasten sitzt auch die Spielmechanik
- Gegenüber Hirl deutlich selbstständig weiterentwickelte, ebenfalls oberschlägige Mechanik.
- Ambitus: C-f1 = 30 Tasten = 2 1/2 Oktaven
- C-B [10 Töne] = einchöriger Bezug, umsponnen
- H-cis1 [16 Töne] = zweichöriger Bezug, umsponnen
- d1-f1 [4 Töne] = dreichöriger Bezug, blank
- Bezug parallel, leicht strahlenförmig, nicht kreuzsaitig
- Mensur:
- C = xxxx mm
- f1 = xxx mm
- Ergebnis: Differenz zwischen längster Saite im Bass und kürzester Saite im Diskant lediglich ca. 10 cm, Mensurberechnung also weit entfernt von dem im Klavierbau üblichen Reglement.
- gerader Steg
- Bezug leicht strahlenförmig
- Lage der Saiten streng an den Tasten orientiert, d.h. Spatien je zwischen h/c und e/f
- Mensur: klingende Länge ca. 100 bis 110 cm.
- einfacher Gussrahmen mit Mittelspreize; Name auf Gussrahmen vorne (d.i. unterhalb der Sitzbank des Spielers): "R.NEUFEIND.30" ["30" wohl für 30 Pedaltöne/-tasten stehend]; Stimmwirbel vorne, gerader Klangsteg vorne.
- oberschlägige, patentierte Mechanik (Patent Nr. 205198 vom 7. Juli 1907 auf eine abwärts schlagende Mechanik für Pedalklaviere), hinten im Instrument, Hammerköpfe vom Spieler wegzeigend
- Veränderung: Moderator (Schiebeschalter links im Pedalraum): schiebt Filzstreifen zwischen Hammerköpfe und Bezug; kein Dämpferaufhebungspedal.
Voreigentümer: Privatbesitz Bamberg; über den Bamberger Instrumentenhandel angekauft.
Literatur:
- Paul de Wit: Welt-Adreßbuch der gesamten Musikinstrumenten-Industrie, Leipzig 1912
- Hubert Henkel, Art. „Neufeind, Richard“, in: ders., Lexikon deutscher Klavierbauer, 1. Aufl. Frankfurt/Main 2000, S. 435f.
Alle Fotos (© Christoph Dohr ) zeigen das Instrument im unrestaurierten Zustand, im Augenblick des Ankaufs, bei Ankunft in der Werkstatt von J. C. Neupert Bamberg. |